Disziplin, Ehrgeiz, Durchhaltevermögen, mentale Stärke – das alles und noch viel mehr braucht Reinhard-Karl Üblacker aus Mühldorf ganz besonders. Denn der 53-Jährige will Golf-Profi werden. Allerdings spielt der geborene Österreicher erst seit 2020 Golf – und war da „schon“ 49 Jahre alt. Doch bei seinem Platzreifekurs hatte er sofort seine Liebe zum Golfsport entdeckt – und rund ein Jahr später zusammen mit seinem damaligen Golf-Pro einen Plan entwickelt: Er will bis 2026 auf die Legends Tour, die professionelle Turnierserie für über 50-Jährige. Aktuelle Herausforderung: vor allem die fehlende Routine.

Seit rund drei Jahren steht Reinhard-Karl Üblacker für sein Ziel fast täglich auf dem Golfplatz, seine Trainingsbase ist das Golf Resort Achental bei Grassau im Chiemgau. Doch beim Trainieren geht es nicht immer nur um die richtige Technik, das Know-how und die Fitness. Momentan steht vor allem die mentale Stärke im Mittelpunkt. Denn Reinhard-Karl Üblacker (Handicap 7,4) fehlt logischerweise genau das, was gute Golfer im Laufe ihrer langjährigen Karriere automatisch entwickeln: Routinen und eine gewisse Abgeklärtheit. Wie agiere ich in bestimmten Situationen? Wie reagiere ich auf unterschiedliche Entwicklungen? „Ein klarer Unterschied zu den Spielern der Legends Tour ist die Erfahrung. Sie spielen Jahrzehnte länger und haben ein Tausendfaches an Wiederholungen hinter sich. Das Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess, den er nicht aufholen kann, denn die anderen trainieren auch stetig weiter“, erklärt Mental-Trainerin Silke Lüdike, die mit dem 53-Jährigen arbeitet. Lüdike ist seit 2015 Mental-Trainerin des Golf Team Germany und für den Profibereich zuständig.

Der Plan: Zusammen mit Silke Lüdike reiste der Mühldorfer zu einem Turnier nach Spanien. „In Barcelona wollten wir gemeinsam ein Turnier spielen, damit ich lerne, wie ich am besten mit der Turnieratmosphäre umgehe. Also welche Routinen muss ich beachten? Wie agiere ich mit meinen Flightpartnern? Und vieles mehr“, berichtet der 53-Jährige. Der Platz war schwierig, das Wetter ebenso, das Ergebnis enttäuschend: Der Mühldorfer spielte auf dem Par-72-Platz eine 102.

„Eine 102 ist zweifellos ein frustrierendes Ergebnis, und es ist wichtig anzuerkennen, dass daran nichts Positives ist. Außer der wichtigen Erfahrung, dies erlebt zu haben. Reinhard hat gesehen, dass er weit entfernt ist von den Spielern der Legends Tour.“ Dennoch könne er Lehren daraus ziehen. „Schaut er sich die 102er-Runde emotional nüchtern an, findet er wertvolle Erfahrungen, die ihn weiterbringen. Situationen, die er erfolgreich gelöst hat. Einzelne Schläge, die in der Umsetzung top waren. Insgesamt ist die Reflexion wichtig, um Klarheit zu gewinnen. Diese Klarheit und Bewusstheit lassen ihn Situationen in seiner Kraft lösen. Er trifft Entscheidungen mit vollem Bewusstsein darüber, wozu er in der Lage ist. Und er wählt auch dementsprechend die Lösung aus“, analysiert die Expertin.

Seit seiner Rückkehr aus Barcelona hat der Mühldorfer schon wieder ein Turnier gespielt und den dritten Platz belegt. „Mein Spiel war viel lockerer, entspannter… das hat man dann zum Glück auch am Ergebnis gesehen.“ Um Erfahrungen aufzuholen, will der Social-Media-Managers nun jede Woche an einem Turnier teilnehmen. „Ich kann das nicht aufholen, was andere Spieler in 30 oder 40 Jahren Golfsport schon erlebt haben und deshalb aus dem Effeff beherrschen. Aber ich kann versuchen, da heranzukommen, indem ich viel spiele. Auch geistig.“ Denn das ist es, was Silke Lüdike mit ihrem Schützling auch übt: im Kopf Golfspielen. Egal, wo man sich befindet. „Ich mache das zum Beispiel im Bett oder wenn ich im Flugzeug unterwegs bin“, berichtet Reinhard-Karl Üblacker. Er stellt sich dann Bahnen vor oder schaut sie sich auf der Scorekarte an. „Ich gehe jeden Schlag im Kopf durch und entwickle so Routinen. Ich habe auch schon gemerkt, dass ich die Bahn besser spiele, wenn ich sie schon mehrfach im Kopf absolviert habe. Das Gehirn arbeitet mit Bildern. Ich muss also vorher visualisieren, wo soll der Ball hin?“

Trotz des vielen und auch erfolgreichen Trainings klappt es nicht immer auch auf dem Golfplatz. „Es ist wichtig zu verstehen, dass das, was er sich mit den Trainern erarbeitet, oft im Training zu funktionieren beginnt, auf dem Platz aber wieder weg ist oder sogar in unbetreuten Einheiten verloren geht. Der Transfer des Erlernten von der Range auf den Platz ist oft frustrierend und fühlt sich an wie ein Balanceakt auf einem schwindelerregend hohen Schwebebalken“, erklärt Lüdike. „Es ist wichtig, realistisch zu bleiben und zu verstehen, dass der Weg zum Profi steinig ist. Es wird Rückschläge geben. Reinhard muss seine Erfahrungen nutzen, aus seinen Fehlern lernen und auf sein Ziel fokussiert bleiben, auch wenn es noch weit entfernt scheint.“

Mit Hilfe der vielen Turniere hofft der Mühldorfer, sein Handicap weiter nach unten schrauben zu können. „Mit einem Quäntchen Glück habe ich vielleicht die Chance, Anfang des Jahres die Q-School in der Türkei mitspielen zu können. Wenn nicht, mache ich das eben ein Jahr später.“ Die Q-School ist die Qualifikation für die Legends Tour. Denn egal ob 2025 oder 2026 – sein Ziel hat Reinhard-Karl Üblacker immer fest im Blick: einen Startplatz auf der Legends Tour.